April

Die Wildbirne

Weiße Blüten wohin man sieht

Die Wildbirne (Pyrus pyraster), auch Holzbirne genannt, gehört zu den Kernobstgewächsen aus der Familie der Rosengewächse. Der Baum wird zwischen acht und zwanzig Metern groß und kann ein Alter von bis zu 200 Jahren erreichen.

„Unsere“ Wildbirne steht nahe der Ortschaft Altenwenden im Kreis Olpe. Sie ist ca. 12 m groß, 100 Jahre alt und hat einen Stammdurchmesser von knapp 50 cm. Unter den Generationenbäumen für das Aufforstungsprojekt an der Hohen Bracht gehört die Wildbirne daher zu den kleineren und auch jüngeren Baumvertretern. Im Vergleich zu manch stattlicher Eiche oder Buche ist der Stammumfang geringer, so dass die Wildbirne vielleicht auf den ersten Blick als unscheinbarer und weniger majestätisch wahrgenommen wird. Doch beim ökologischen Nutzen kann sie ihr volles Potenzial zeigen!

Jetzt im April blüht der Baum wunderschön weiß und seine weithin sichtbare Blütenpracht lockt viele Insekten an und ist damit eine wichtige Bienenweide. Die Früchte, die mit einem Durchmesser von 1,5 cm bis 3 cm deutlich kleiner als die der Kulturform sind, bilden sich im September aus, sind im reifen Zustand grün bis gelbgrünlich und werden zum Schluss braun und teigig, aber nie rötlich. Die recht herb schmeckenden Früchte sind für die Tierwelt ein willkommener Leckerbissen. Siebenschläfer, Marder, Dachs, Igel und Wildschwein bedienen sich hier genauso gerne wie Vögel, Wespen oder Schmetterlinge, die die Pflanzensäfte der reiferen Früchte aussaugen.

Die Wildbirne ist in der nacheiszeitlichen Wärmezeit (ca. 5400 bis 2500 v. Chr.) nach Mitteleuropa eingewandert und als sicher gilt, dass die Wild-Birne der Vorfahr der heutigen Kultursorten ist. Funde von Birnenschnitzen zeigten eine frühe Nutzung der Wildbirnen, die wahrscheinlich schon früh mit einer bewussten Auslese und Vermehrung von Bäumen mit besonders erwünschten Fruchtmerkmalen einherging. Beschränkten sich die ersten „Züchtungen“ auf einheimische Wildbirnen, so wanderten spätestens in der Römerzeit weitere Birnensorten aus dem südeuropäischen Raum nach Mitteleuropa ein. Denn bereits rund 1000 v. Chr. war die Birne bei den Griechen bekannt und die Römer kannten angeblich im 300 Jahre nach Chr. bereits 30 bis 40 Birnensorten! Durch das Einführen verschiedenster Pyrus-Gene und der Kreuzung mit der Wildpopulation ist die eigentliche Wildform immer weiter verloren gegangen. Kultivierte Birnen-Sorten wachsen auf vielen Wiesen und Weiden, doch die Wildbirne ist selten geworden und braucht deshalb unseren Schutz. Ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Wild- und Kulturform ist übrigens die Bewehrung mit Dornen, die vor allem junge Triebe vor Verbiss schützt (Quelle: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE): Endbericht „Erfassung und Dokumentation genetischer Ressourcen seltener und gefährdeter Baumarten in Deutschland“, Teillos 2: Wild-Apfel (Malus sylvestris) und Wild-Birne (Pyrus pyraster), 2013).

Nicht nur die Vermischung der Gene mit Kultursorten führten zu einem Rückgang dieser Art, auch das Verschwinden geeigneter Lebensräume hatte negative Auswirkungen auf die Verbreitung. Wildbirnen haben eine hohe Lichtbedürftigkeit und wachsen langsam, so dass sie aus den geschlossenen Wäldern immer weiter verdrängt wurden und heute nur noch an Waldrändern, sonnigen Hängen oder in Auwäldern anzutreffen sind. In unserem Waldgebiet auf der Hohen Bracht wird die Wildbirne daher einen Platz am lichten, sonnigen Waldrand bekommen.

Im Kreis Olpe scheint diese Wild-Birne die letzte ihrer Art zu sein. Weitere Vorkommen sind nicht bekannt, obwohl es noch in den Nachkriegsjahren mehrere Exemplare gegeben haben muss. Denn Zeitzeugen haben darüber berichtet, dass zu dieser Zeit die Früchte - auch "Hotzeln" genannt - gesammelt und zu einem Mus gekocht wurde, der in diesen schweren Zeiten den Hunger stillte.

Wir freuen uns, wenn diese seltene Baumart auf der Hohen Bracht einen neuen Lebensraum findet und wir einen Beitrag zum Erhalt dieser Art leisten können!